Es war einmal vor langer langer Zeit in einem Königreich so weit entfernt in der Tiefe des Ozeana, dass kaum ein Sonnenstrahl den tiefsten Punkt und seine Bewohner erreichte, doch trotz all dieser Dunkelheit war dieses Reich voll von Leben und Gesang. Man erzählte sich, die schönste all dieser Stimmen besaß Margarite, die jüngste Tochter des Königs und der Stolz ihres ganzen Volkes. Aus allen Teilen des Königreichs reiste das Meervolk an um an den Feierlichkeiten zu Ehren des Geburtstages der kleinen Prinzessin teilzunehmen. Mit vierzehn Jahren war es den Meermenschen erlaubt hinauf zur Wasseroberfläche zu tauchen und das erste Mal in ihrem Leben einen Blick auf die Menschen und den endlos weiten Himmel zu werfen. Dieses Ereignis nannte das Meervolk die Wellenweihe. Auch Margarites Schwestern hatten die Oberfläche bereits besucht und auch wenn sie ihrer Schwester von den schönsten Dingen, die sie gesehen und gehört hatten berichteten, so zog es sie auch immer wieder zurück zum Grund des Meeres. Margarite konnte den Tag nicht erwarten an dem sie endlich selbst diese Dinge erleben würde. Was waren diese Sterne von denen ihre Schwestern ihr immer wieder erzählten und wie fühlte sich Wind an? Der Morgen ihres 14. Geburtstages brach an und das ganze Königreich feierte diesen besonderen Tag mit Margarite. Es gab ein riesiges Bankett und ein Orchester spielte auf den verschiedensten Ozeaninstrumenten ihre Lieblingslieder. Doch immer schweifte sie mit ihren Gedanken an ihre Wellenweihe ab. Als sich die Feierlichkeiten dem Ende zuneigten, blieb nur ihre Familie im Schloss zurück. Margarites Schwestern, ihre Großmutter und ihr Vater nahmen sich an die Hände, bildeten einen Kreis und nahmen sie in ihre Mitte um gemeinsam das Wellenlied anzustimmen, um ihr viel Glück auf dieser Reise zu wünschen, die sie alleine antreten musste.
Margarite machte sich auf den Weg und stieg stetig nach oben. Bald lag die Dunkelheit der Tiefsee hinter ihr und sie durchquerte die dichten Seegraswälder. Vorbei an den farbenfrohen Korallengärten von Thalassaen wurde auch um sie herum alles heller und leuchtender. Sie fragte sich wie das möglich war, hatten ihre Schwestern ihr doch erzählt, dass das was die Mensch Nacht nannten den Himmel dunkel färbte mit Ausnahme der kleinen leuchtenden Punkte am Firmament. Sie beschleunigte ihre Geschwindigkeit, begierig zu wissen was ihre ganze Umgebung in dieses Licht färbte und die Schuppen ihrer Flosse in den buntesten Farben schillern ließ und so durchbrach sie mit ihrem Kopf die Wasseroberfläche.
Ein ohrenbetäubendes Krachen füllte die Luft, lauter als alles was sie jemals gehört hatte, lauter als der Unterwasservulkan, den sie damals mit ihrem Vater in Pyraxis besucht hatte. Ein Geruch wie sie ihn nie zuvor wahrgenommen hatte, stieg ihr in Mund und Nase und füllte ihre Lungen mit Rauch. Schnell tauchte sie wieder einige Flossenschläge nach unten, unschlüssig was sie nun tun sollte. Jahrelang hatte sie von diesem Moment geträumt und sie wusste dass es den Meermenschen möglich war auch die Luft des Himmels zu atmen. Wieso erfüllte sie also jeder Atemzug mit Abscheu? Margarite fasst sich ein Herz und mit einem kräftigen Schlag ihrer Fluke näherte sie sich der Wasseroberfläche. Langsam und behutsam streckte sie erst den Scheitel ihrer Haare aus dem Wasser und spürte dann eine kühle Briese auf ihrer Stirn, die sie erschaudern ließ. Mund, Nase und Ohren ließ sie knapp unter Wasser, so dass nur der obere Teil ihres kleinen Kopfes aus dem Wasser ragte. Vorsichtig öffnete sie nun ihre Augen, die sie zuvor angestrengt zugepresst hatte und wandte ihre Blick nach oben. Der Himmel war erfüllt von tausenden von Farben. Waren das Blumen? Ihre älteste Schwester hatte ihr davon erzählt, doch nie hatte sie erwartet dass diese so groß waren, dass sie den Himmel umspannten. Immer mehr dieser Blumen, die sie an riesige Korallen erinnerten, erschienen und verschwanden wieder. Doch sie erschienen nicht einfach. Die kleine Meerjungfrau folgte mit ihrem Blick einer dieser leuchtenden Blumen und erkannte, das diese nach oben stiegen und einen großen Schweif hinter sich herzogen. Fasziniert von diesem Anblick folgte sie seinem Verlauf um einen großen Felsen herum, der aus der Wasser ragte und erblickte ein gewaltiges Schiff. Ihre zweitälteste Schwester hatte ihr auf einem ihrer Besuche an die Oberfläche ein Modell dieser riesigen Gefährte mitgebracht, sicher verstaut in großen Rumflasche. Der Meereskönig sah es nicht gerne, wenn seine Untertanen oder gar seine Töchter sich mit derlei Oberflächenplunder umgaben, kam es doch immer wieder zu blutigen Zusammenstößen zwischen Wasser- und Erdenmenschen.
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